Einbindung von Übersetzungsprozessen in Dokumenten- und Content-Management-Systeme

Moderne Redaktions- und Content Management Systeme (CMS) unterstützen bereits bei der Erstellung der Inhalte die Vorbereitung der Übersetzungsprozesse und liefern zielgenau die Inhalte an den Übersetzer, die er für eine gute Übersetzung braucht – mit oder ohne Systemunterstützung durch ein Translation Management System (TMS). Insbesondere auch bei Aktualisierungen, wenn also nur noch die Änderungen in Texten übersetzt werden müssen, bietet ein gutes CMS umfangreiche Funktionalitäten zur Nachverfolgung der Änderungen und kostenoptimiertem Übersetzen, ohne den Übersetzer zu einem „Schnipsel-Übersetzer“ zu degradieren.

Bevor Inhalte zum Übersetzen gegeben werden, wurden sie erstellt, strukturiert, gegebenenfalls auch formatiert und liegen beim Redakteur in seinem System vor. Und es kommt entscheidend auf die Art und Qualität der Ausgangsdaten an, wie schnell und wie automatisiert die Übersetzung und die Zusammenstellung der übersetzten Inhalte zu bewerkstelligen ist. Qualität bedeutet an dieser Stelle zum einen das Datenformat, zum anderen textliche und sprachliche Strukturen sowie die Granularität der Informationseinheiten (Modularisierung). Im folgenden Beitrag geht es speziell um das Zusammenspiel zwischen einem Redaktionssystem für den Bereich Dokumenten- bzw. Content Management (CMS) einerseits und dem Übersetzungsmanagement, unterstützt durch ein Translation Management System (TMS), andererseits.

Industrielle Textproduktion

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben mittlerweile zu einer zunehmenden „Industrialisierung“ der Textproduktion geführt. Das ist tatsächlich erstaunlich, da man davon ausgehen sollte, dass dieser Prozess parallel zu den Entwicklungen in der Produktproduktion verlaufen sein sollte. Doch die Textproduktion hinkt methodisch und technologisch in der Mehrzahl der Unternehmen deutlich hinter dem Standard in der Produktion der Produkte hinterher. Während beinahe alle Produkte bereits modular aufgebaut und arbeitsteilig erstellt werden, ist das bei der Textproduktion lange noch nicht der Fall. Die Konsequenzen sind ständig steigende Ausgaben im Bereich Dokumentation und Produkt-Information. Die Lage wird noch dadurch verschärft, dass in der Produktherstellung mit immer kürzeren Produktzyklen bei gleichzeitig steigender Produktindividualisierung gearbeitet wird, ganz zu schweigen von der zunehmenden Globalisierung der Produktion und des Absatzes.

Um mit dieser Entwicklung Schritt halten zu können, müssen in der Textproduktion dringend erforderliche Neuerungen umgesetzt werden. Standardisierung und Modularisierung der Texte und Informationen bilden hierbei den Grundstock für eine sinnvolle und effiziente Nutzung des Rohstoffes Information im Unternehmen. Allein darüber kann eine zunehmende Standardisierung der Prozesse und Informationsprodukte erfolgen. Und nur darüber kann die Kostenspirale angehalten und nachhaltig Ausgaben eingespart werden.

Systemtypen

Bekannte Schlagworte aus dem Bereich der Verwaltung von Dokumenten und Texten sind z. B.

  • Dokumenten-Management (DMS)

  • (Enterprise) Content Management (CMS) 

  • Single Source Publishing

Während sich Dokumentenmanagement im Wesentlichen der Verwaltung abgeschlossener Dokumente widmet (z.B. die digitale Archivierung von Belegen: hier werden die Inhalte nicht mehr verändert, sondern das Dokument als ganzes betrachtet), verarbeitet Content Management die tatsächlichen Inhalte (Content) der Dokumente.

Der Begriff Single Source Publishing beschreibt bei der Produktinformation die Publikation von Informationen in verschiedene Medien (Druck, Internet und CD ROM) aus einer Datenquelle. Wenn im Folgenden vereinfachend von einem CMS (Content Management System) die Rede ist, bezieht sich das auf ein Single Source Publishing System, das meist eine Ergänzung zu einem klassischen Dokumenten-Management-System oder auch zu einem hauptsächlich auf Webtechnologien basierendem Content Management System darstellt.

Im Bezug auf die Übersetzungsprozesse ergeben sich aus den genannten Systemunterschieden erhebliche Konsequenzen für den Anwender. Der zentrale Punkt ist hierbei die Größe der Informationseinheiten oder Module, die in dem System verarbeitet werden. Vereinfachend lassen sich die grundsätzlichen Systemunterschiede, die besondere Relevanz für das Übersetzungsmanagement haben, so darstellen:


Informationseinheiten auf Basis eines DMS:

  • Informationseinheit = Dokument

  • kein Zugriff auf die innere Struktur

  • kein Zusammenhang zwischen Dokumenten

  • manuelle Änderungsverfolgung

  • keine Trennung von Layout, Struktur und Inhalt

Informationseinheiten auf Basis eines CMS:

  • beliebig kleine Informationseinheiten

  • Abhängigkeiten zwischen Dokumenten

  • Automatische Änderungsverfolgung

  • Struktur, Layout und Inhalt getrennt beeinflussbar

  • Automatische Generierung von Dokumenten


Aus dieser Darstellung kann man entnehmen, dass das Übersetzungsmanagement im Zusammenhang mit einem CMS aufgrund der großen Anzahl kleinerer Bausteine komplex ist. Aber nur so sind auch die nötigen Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen möglich. Nur über eine geeignete Modularisierung, die auch flexibel auf die Bedürfnisse der Unternehmen anpassbar ist, lässt sich auch die Übersetzung einfacher und effizienter gestalten.

Nicht zuletzt muss an dieser Stelle auf die zentrale Bedeutung von XML für das Übersetzungsmanagement hingewiesen werden. Systeme, die den modernen Anforderungen für das Übersetzungsmanagement genügen wollen, müssen natürlich auf offene Standards, insbesondere auf XML aufsetzen. Das gilt auch - unabhängig vom Übersetzungsprozess - für alle Content Management Systeme.

Doch von welchen Texten ist hier eigentlich die Rede? Fast alle Abteilungen im Unternehmen haben in der einen oder anderen Form mit der Erstellung von Produktinformationen zu tun. Die Marketingabteilung erstellt Pre-Sales-Informationen, die technische Dokumentation erstellt Handbücher und viele andere Dokumente für die verschiedenen Zielgruppen, die Entwicklung liefert Input für die Beschreibung der neuen Funktionen und vieles mehr. Inhalte eines CMS werden also von den meisten Abteilungen im Unternehmen genutzt.

Auch die „Produkte“ eines CMS sind vielfältig: Technische Beschreibungen und Anleitungen, Marketingunterlagen, Portale (Inter-/Intra-/Extranet), Produkt- und Ersatzteilkataloge. Darüber hinaus spielt in diesen Prozessen der Zeitaspekt eine bedeutende Rolle, denn die Informationen werden ja nicht nur einmal erstellt und dann so belassen. Ganz im Gegenteil, die Produktinformationen werden ständig überarbeitet, korrigiert, neu aufgelegt, deshalb ist es auch richtig von „Product Lifecycle Management“ zu sprechen.

Und alle diese Informationen, oder zumindest ein großer Teil, müssen früher oder später auch in den anderen Sprachen verfügbar sein.

Koppelung zwischen CMS und TMS

Die grundsätzliche Funktionsweise eines TMS besteht darin, dem Übersetzer bei wiederholtem Übersetzen gleicher oder ähnlicher Dokumente auf gleiche oder ähnliche Textsegmente (vereinfacht gesagt „Sätze“) hinzuweisen und Hilfsmittel zur Modifikation bereit zu stellen. Da derzeit noch die meisten Dokumente überhaupt nicht in XML vorliegen, haben die Hersteller dieser Systeme viel Mühe auf die Erstellung von sog. „Filtern“ verwendet, welche typische weitverbreitete proprietäre Dokumentformate „lesen“ (z. B. Microsoft Word oder Adobe FrameMaker) können und innerhalb des TMS dem Übersetzer nur den Inhalt und nicht das Layout des Dokuments zur Verfügung stellen. Nach dem Übersetzen innerhalb des TMS erfolgt dann ein Export der Inhalte und ein Zusammenfügen mit den Layoutinformationen des Dokuments. Da unterschiedliche Sprachen unterschiedliche „Laufweiten“ haben, besteht i.d.R. ein gewisser Nachbearbeitungsaufwand des übersetzten Dokuments, um Details im Layout anzupassen oder zu korrigieren. Diese Beschreibung trifft also zu bei der Koppelung von DMS und TMS.

Diese Nachbearbeitungsaufwände entfallen bei einer XML-basierten Datenhaltung im CMS i.d.R., da hierbei ja die Dokumente aus dem CMS wiederum neu generiert werden, d.h. die Inhalte und das Layout über entsprechende Template-Generatoren zusammengefügt werden. Die Templates sollten hierbei natürlich so konzipiert sein, dass die unterschiedlichen Laufweiten der Sprachen berücksichtigt sind.

In beiden Fällen müssen also zwar die zu übersetzenden Texte exportiert werden, um über das TMS übersetzt werden zu können. Im Fall von XML-Daten entfallen aber Nachbearbeitungsaufwände durch Layoutkontrollprozesse. Des Weiteren ist die Isolierung von Bestandteilen, die sich seit dem letzten Übersetzungsprozess geändert haben, leichter möglich, da die Texte viel feingranularer vom CMS analysiert werden können.

Workflows

Die Steuerung der Prozesse bei der Erstellung, Übersetzung und Produktion der Informationsprodukte mit Unterstützung eines CMS und TMS mit entsprechender Workflow-Funktionalität ist eine große Erleichterung für die Redaktionen. Entscheidend ist die enge Kopplung des Übersetzungsworkflows einerseits und des CMS-Workflows andererseits, damit ein reibungsloser Übergang von einem ins andere System gewährleistet ist. Von einer Integration von CMS und TMS ist insbesondere zu erwarten, dass sich bestimmte Überset-zungsaufträge aus dem CMS direkt im TMS als entsprechende Aufgaben darstellen. Idealerweise werden die Systeme so integriert, dass dies automatisch geschieht. So kann eine Übersetzungsaufgabe nahtlos im TMS-Workflow weiterbearbeitet werden, ohne zusätzlichen manuellen Aufwand zu verursachen.

Die Bedeutung der Workflowunterstützung im CMS ist um so größer, je größer die Datenmenge ist, die im System verwaltet werden. Denn wie soll im Tagesgeschäft der Redakteur bei diesen Datenmengen den Überblick darüber bewahren, welche Inhalte eines Dokumentes fertig oder in Vorbereitung sind und welche Texte noch übersetzt werden müssen. Wenn hier eine präzise Steuerung möglich ist, können Aufwendungen bereits vermieden werden, bevor die Lokalisierung überhaupt beginnt.

Zusammenfassung und Ausblick

Es gibt noch viele weitere Aspekte, welche im Übersetzungsprozess eine große Rolle spielen und auch für bestimmte Verwaltungs- und Komfortfunktionen innerhalb des CMS von Belang sind. Beispielhaft sei hier nur die Integration von Rechtschreibprüfung und Terminologie im CMS und die Koppelung mit bereits existierenden Terminologiedatenlösungen von TMS-Anbietern genannt. Es liegt auf der Hand, dass die Standardisierung von Texten bei der verwendeten Terminologie anfangen muss. Wenn ein Hersteller beim Durchforsten seiner Textbestände für jedes „Ding“ drei verschiedene „Wörter“ vorfindet, ist klar, dass hier etwas im Argen liegt.

Dennoch sollte klar geworden sein, dass die Vorbereitung der Inhalte im CMS für die Übersetzung im TMS in modernen Redaktionsprozessen eine bedeutende Rolle spielt. Der Einsatz und die Integration der Systeme und der Datenaustausch auf Basis von XML ermöglichen Einsparungen von bis zu 50% der Übersetzungskosten. In Zeiten schrumpfender Budgets eine beachtliche Summe, die eine Investition schnell rechtfertigt.

Für die Zukunft muss davon ausgegangen werden, dass die häufig genannten Trends wie Produktdiversifizierung, Internationalisierung, Verkürzung der Produktzyklenzeiten, rechtliche Anforderungen usw. anhalten werden und weiterhin einen ernormen ökonomischen Druck auf die „Industrialisierung der Textproduktion“ ausüben. Das wird dazu führen, dass die Automatisierungsanforderungen steigen. Dies wiederum wird bewirken, dass CMS, TMS, Terminologiedatenbank, Rechtschreibprüfung und automatische Stilkontrollprogramme aus der Sichtweise der Anwender integriert werden müssen, denn schließlich müssen die Informationen ja immer noch von „echten Menschen“ in Texte gegossen werden, wenn auch die Formen hierfür u.U. enger und standardisierter werden.

Stefan Freisler, Geschäftsführer der SCHEMA GmbH

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Stefan Freisler, Geschäftsführer der SCHEMA GmbH

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