Einsparpotenziale in der Technischen Dokumentation

Warum das Rad neu erfinden? Jeder integriert Vorhandenes, wenn er etwas Neues erschafft. Das spart Zeit und Geld. Für die Erstellung und Pflege produkt- und unternehmensrelevanter Dokumente gilt das ebenso wie in der Produktion.

Die Technische Dokumentation orientiert sich an der Produktion der Erzeugnisse und ist daher meist durch standardisierte Produktmodule oder -komponenten bestimmt. Anlagen, Geräte und Maschinen werden heutzutage aus Standardbausteinen gefertigt und Softwareprodukte auf Basis von Standardmodulen konfiguriert. Oft spiegelt sich diese Modulstruktur zwar auch in der zugehörigen Dokumentation wider, die technische Umsetzung dieser Modulstruktur auf Dokumentebene ist aber in den wenigsten Unternehmen konsequent umgesetzt. Häufig werden Texte für unterschiedliche Publikationen neu erstellt und übersetzt, wie z.B. technische Beschreibungen für Vertriebs- und Marketingunterlagen oder für Benutzerhandbücher. Die Kosten für das Verfassen und Verwalten technischer Dokumentationen lassen sich erheblich reduzieren, wenn man auf bereits vorhandene Textmodule und Strukturen zurückgreift. Mit Hilfe moderner Redaktionslösungen lassen sich selbst sehr große Textmengen medienneutral in XML speichern, effizient verwalten (z.B. Versionierung, Übersetzung etc.) und anschließend in unterschiedliche Zielformate auf CD ROM, im Inter- und Intranet oder als Printausgabe publizieren. Die Einsparpotenziale resultieren dabei aus der Umsetzung von Prinzipien, die in der Produktion schon Usus sind: Standardisierung und Modularisierung.

Um standardisierte Textmodule zu erstellen, sollten in einem ersten Schritt verbindliche Dokumentationskonventionen existieren, z.B. wie eine Wartungsbeschreibung aufgebaut oder gelayoutet sein muss. In vielen Unternehmen ist dies bereits der Fall, aber ist damit auch eine Kostenminimierung verbunden? Eine High-End-Lösung für die Standardisierung von Texten im Rahmen eines Redaktionshandbuches stellt das so genannte Funktionsdesign dar. Diese universell einsetzbare Methode wurde von den Professoren Robert Schäflein-Armbruster und Jürgen Muthig entwickelt, beide Professoren für Technische Kommunikation. Das Funktionsdesign nimmt Einfluss auf Textstrukturen sowie Satzbau und Stil. Durchgängig einheitliche Typographie, Layout und Grafiken tragen zusätzlich zu einer konsistenten visuellen Gestaltung der Dokumentation bei. Der Leser erkennt auf einen Blick, welche Funktion, z.B. Voraussetzung, Handlung oder Resultat, eine Textpassage hat. Eine herkömmliche Bedienungsanleitung für eine Pumpe sieht z.B. so aus: "Schalter A auf Position 1 stellen. Die grüne Kontrolllampe leuchtet auf. Dabei sollten Sie darauf achten, dass sich keine Flüssigkeit im Behälter befindet. Damit ist die Pumpe betriebsbereit, Sie können mit dem Absaugen beginnen." Mit dem Funktionsdesign werden die einzelnen Sätze der Anleitung klassifiziert und einer bestimmten Funktion zugeordnet, z.B. wird die Phrase "Schalter A auf Position 1 stellen" als Handlungsanweisung definiert. In einem weiteren Schritt werden die Inhalte prägnanter formuliert und in eine logische Reihenfolge gebracht, so dass sehr konsistente Texte entstehen, wie die nebenstehende optimierte Version zeigt.

Häufig werden Dokumentationen in dezentralen Systemen abgelegt und dadurch redundant vorgehalten und gepflegt. Texte für die Anfertigung neuer Dokumentationen werden somit immer wieder neu erstellt. Grundlage für die konsequente Wiederverwendung von Texten und Textstrukturen ist der Aufbau eines modularen, zentralen Datenpools entsprechend der Modulstruktur der Produkte. Der Umfang der standardisierten Textmodule und ihrer Vernetzung sind dabei dem Unternehmen, mindestens aber der Branche angepasst. Bei einer Softwaredokumentation beispielsweise kann das kleinste Modul  aus wenigen Sätzen bestehen, etwa einem Meldungstext, der immer an verschiedenen Stellen verwendet wird. Um die Textkomponenten später beliebig zusammenstellen zu können, ist medienneutrales Speichern – vorzugsweise im XML-Format – erforderlich.Professionelle Redaktions- und Content-Management-Systeme bieten dann sogenanntes Single Source Publishing, also das medienneutrale Publizieren von Informationen. Dadurch entfällt der Konvertierungsaufwand, der entsteht, um die Dokumentationen sowohl z.B. als Online-Html und als Print-Ausgabe zu erstellen. Das Handbuch für eine Software beispielsweise ist somit als Online-Hilfeauf CD-ROM oder als Printversion lieferbar, ohne dass für jedes Medium zusätzliche Kosten anfallen.



Für international agierende Unternehmen stellen die Übersetzungskosten oft den Großteil der Dokumentationskosten dar. Hier liegen hohe Einsparmöglichkeiten durch den Einsatz von Redaktionswerkzeugen und Translation-Memory Technologien. Auch wenn in einem Handbuch nur wenige Passagen zu ändern sind, werden die betroffenen Dokumente oft meist trotzdem komplett an ein Übersetzungsbüro vergeben, bereits vorhandene Texte somit mehrfach übersetzt. Ein enormer Kostenfaktor für ein großes Maschinenbauunternehmen, dessen vollständige Dokumentation einer Maschine bis zu 30.000 oder 40.000 Seiten umfassen kann. Aber auch bei weniger Seitenumfang einer technischen Dokumentation, wie z.B. ein 2.500-seitiges Handbuch für eine Software-Lösung, steigt der Aufwand exponenziell, wenn das Dokument in mehrere Sprachen übersetzt werden muss. Da im Redaktionssystem umfassende Dokumentationswerke aus einzelnen Modulen bestehen, lassen sich hier Einsparpotenziale bis zu 50 % erzielen. Es werden nur noch die Komponenten zum Übersetzen weitergereicht, die neu erstellt oder geändert wurden. Darüber hinaus können weitere Kosten durch den Einsatz von Translation-Memory-Systemen eingespart werden. Gibt es feststehende Formulierungen, können diese – quasi automatisch - übersetzt werden (sog. 100 % Matches). Letztlich muss der Übersetzter nur noch den Teil bearbeiten, der nicht im Translation-Memory-System vorliegt.



Der redaktionelle Prozess läßt sich durch den Einsatz professioneller Redaktionslösungen deutlich reduzieren und damit kostengünstiger gestalten. Die größten Einsparpotenziale liegen bei der Erstellung der Dokumentationen (bis 50% der Kosten können eingespart werden) bei der Übersetzung (ebenfalls bis zu 50 %) und bei der Publikation der Dokumente (bis zu 80%). Die Effizienz dieser Werkzeuge ist allerdings stark von dem Willen des Unternehmens abhängig, sich auch in der technischen Dokumentation die Standardisierung und Modularisierung zu Nutze zu machen. Der anfängliche Mehraufwand durch erneute Strukturierung der Dokumentation und Festlegen konsistenter Texte, macht sich bereits nach kurzer Zeit bezahlt. Darüber hinaus ist durch die Textstandards bessere Lesbarkeit und Benutzerfreundlichkeit der technischen Dokumentation gegeben, verbunden mit einem einheitlichen CI nach außen. Der Einsatz von Redaktions- und Content Management-Systemen macht sich also in vielerlei Hinsicht bezahlt.

Jörg Plöger, SCHEMA GmbH

Informationen zum Autor:
Jörg Plöger, SCHEMA GmbH, Leiter des Vertriebsbüro in Bremen

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