Technische Dokumentation als interne Informationsplattform
Wie konnte vor 550 Jahren die Bibel wirtschaftlich vervielfältigt werden? Nur dank der Erfindung der beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg. Der Einsatz von Redaktionssystemen in der Technischen Dokumentation löste zwar keine Umwälzungen der ganzen Menschheit aus, die wirtschaftlichen Effizienzsteigerungen sind dennoch vergleichbar – wie der folgende Beitrag zeigt.
Die technische Dokumentation wird in vielen Unternehmen eher stiefmütterlich behandelt. Oftmals werden Handbücher, Betriebsanleitungen oder Wartungsunterlagen auf den letzten Drücker kurz vor Auslieferung fertig gestellt. Doch immer mehr Unternehmen erkennen die wachsende Bedeutung einer vollständigen, verständlichen Produktbeschreibung. Weitere Gründe, sich mit der Thematik zu beschäftigen, gibt es zur Genüge: Rechtsvorschriften erzwingen bestimmte Informationen (zum Beispiel Sicherheitshinweise) sowie die Qualität und Form, in der sie angebracht werden müssen. Fehlende oder zu spät gelieferte Dokumentationen verursachen Zahlungsausfälle in Millionenhöhe. Darüber hinaus müssen spätestens seit der EU-Osterweiterung technische Dokumentationen in weiteren, auch in slawischen Sprachen zur Verfügung gestellt werden. Dies betrifft besonders den Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland, der stark exportorientiert agiert.
Anforderungen an die technische Dokumentation
Eines der Hauptprobleme in der technischen Dokumentation ist der Termindruck: Steht die Maschine oder Anlage zur Auslieferung bereit, kommen die letzten Informationen zur Bedienung oder Wartung sowie zu Ersatzteilen in der Dokumentationsabteilung an. Oft wird bereits auch schon während der Produktion ein Zwischenstand der Dokumentation angefordert und muss dann aus den bis dahin vorliegenden Teilen rasch zusammengestellt werden. Verschiedene Module der Dokumentation haben dabei unter Umständen unterschiedliche Versionsstände und werden von unterschiedlichen Personen bearbeitet, die vielleicht auch noch an unterschiedlichen Standorten sitzen. Für international tätige Unternehmen stellt das Übersetzungsmanagement eine zusätzliche Herausforderung dar. Darüber hinaus müssen unterschiedliche Dokumentationstypen wie Spezifikationen, Online-Hilfen, Montageanleitungen und vieles mehr erstellt werden. Hinzu kommt, dass die Werke auf unterschiedlichen Medien (CD, Print, Web) verfügbar sein müssen.
Im Laufe der Zeit entwickelt jedes Unternehmen seine eigenen Methoden, um diese Dokumente zu erstellen, zu pflegen, zu vervielfältigen und zu verteilen. Häufig werden technische Dokumentationen mit herkömmlichen Office-Anwendungen erstellt, selten liegen die Produktinformationen zentral in einem Datenpool vor. Dadurch werden Texte mehrfach verfasst, da dem Redakteur nicht bekannt war, dass schon eine Beschreibung zu der Anlagenkomponente existierte. Diese Vorgehensweise ist meist mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden, kann doch die vollständige Dokumentation einer Maschine ohne weiteres 30.000 bis 40.000 Seiten umfassen. Der Aufwand für die Erstellung der Produktinformationen wächst exponentiell, je nachdem in wie vielen Sprachen diese vorliegen muss. Da nicht ohne weiteres zu definieren ist, welche Passagen sich in der Dokumentation geändert haben, wird vorsichtshalber noch einmal das komplette Werk übersetzt. Solche Missstände verhindert der Einsatz eines Redaktionssystems.
Redaktionssysteme – Wiederverwendung statt Mehrfach-Datenhaltung
Technische Dokumentationen spielen sich oft in einem Umfeld ab, das durch standardisierte Module oder Komponenten bestimmt ist. Anlagen und Maschinen werden aus Standardbauteilen gefertigt. Oft spiegelt sich diese Modulstruktur in ähnlicher Form auch in der zugehörigen Dokumentation wider. Kennt der Redakteur die Struktur des Kundenprojekts, ist daraus in der Regel auch die Struktur der Dokumentation abzuleiten. Professionelle Redaktionssysteme basieren auf diesem Konzept. Sie erlauben die Vorhaltung der technischen Daten, der Texte, Grafiken, Tabellen oder Multimediaobjekte in einzelnen Informationsbausteinen. Damit bei der Erstellung von neuen Dokumentationen ein hoher Wiederverwendungsgrad erreicht und nicht immer „das Rad neu erfunden“ wird, sind alle unternehmensweit relevanten Informationsbausteine in einem zentralen Pool strukturiert abgelegt. Für konkret anstehende Projekte kann der Redakteur dann auf sämtliche Standard-Elemente aus dem Informationspool zugreifen. Er setzt sie beliebig für jede neue Dokumentation zusammen und erweitert sie um Beschreibungen für die individuellen Komponenten der Maschine oder Anlage. Auch unterschiedliche Textversionen können mit einem Redaktionssystem einfach verwaltet werden. Diese stehen dem Redakteur damit auf Anhieb zur Verfügung, er muss sie nicht erst aus verschiedenen Datenbeständen zusammenstellen.
Mit anderen Worten: Durch die Wiederverwendung bereits vorhandener beschreibender Texten und grafischen Objekten wird die Effizienz gesteigert und gleichzeitig ein hoher Standardisierungsgrad erreicht. Dieses Konzept erinnert stark an die Tayloristischem Grundprinzipien, nach denen nahezu jedes Industrie-Unternehmen seine Produkte herstellt: Arbeitsabläufe sind weitgehend standardisiert und der Gesamtprozess in ständig wiederkehrende Einheiten zerlegt. Warum also diese erfolgreiche Vorgehensweise nicht auf die „Produktion“ der technischen Dokumentation übertragen? Damit kann sie – genau wie das dazugehörige Produkt – effizienter erstellt werden.
Technische Dokumentation als interne Informationsplattform
Unternehmen, die die technische Dokumentation als integralen Bestandteil eines Produktes bewerten und sie bereits bei der Produktentstehung integrieren, können zusätzlich profitieren. Dies gilt insbesondere, wenn Produkte an unterschiedlichen Standorten erstellt werden. Durch die Erstellung von technischen Informationen und deren Bereithaltung in einem zentralen Datenpool können alle Beteiligten auf diese während der Produktion zugreifen. Wichtige Informationen, die hier bereits anfallen sind beispielsweise technische Daten, wie Abmessungen oder Leistungsmerkmale. Diese Informationen kommen darüber hinaus dem Vertrieb und dem Marketing frühzeitig zu gute. Sie wissen, welche Produkte sie künftig verkaufen bzw. vermarkten sollen. So beinhalten diese „nüchternen“ Daten wichtige Informationen für die Marketingabteilung, wenn es beispielsweise um Texte für Verkaufskataloge oder Produktbroschüren geht. Die After-Sales-Abteilungen wie Support oder Kundendienst können frühzeitig auf neue Produkte geschult werden. Dadurch, dass alle Beteiligten beizeiten auf die Informationen zugreifen können, reduziert sich auch der Informationsgewinnungsprozeß. Verantwortliche Produktingenieure werden nicht länger von unterschiedlichen Abteilungen mehrfach zu den Produkteigenschaften befragt.
Mehrsprachigkeit
Für Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau und auch in anderen Branchen spielt das Exportgeschäft eine zentrale Rolle. Entsprechend muss die technische Dokumentation in der Regel in mehreren Sprachen vorliegen. Die Anzahl der Zielsprachen wächst kontinuierlich, ebenso die Komplexität der zu dokumentierenden Produkte. Gerade im Maschinenbau ist das Thema Übersetzung zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden. Mehrsprachigkeit erfordert von einem Redaktionssystem komfortablen Zugang zu den Inhalten in den verschiedenen Fremdsprachen. Ist der Ursprungstext erst einmal komplett in anderen Sprachen verfügbar, müssen neue Sprachversionen gepflegt werden. Translation Memory Systeme unterstützen und verkürzen den Überarbeitungsprozess, indem sie z. B. auf Basis bereits einmal übersetzter Formulierungen Vorschläge unterbreiten und so Übersetzern Arbeit sparen. Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag „Erfolgreiche Produktvermarktung auf internationalem Parkett“.